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World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 11:50
von mikesch0815
Derzeit geht ja eine mehr oder minder hitzige Diskussion umher:

http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 00383.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Wie seht Ihr das? Wieviel Bildbearbeitung ist akzeptabel, wo und wann? Ich persönlich bin ja kein sonderlicher Freund starker Bildbearbeitung, aber in manchen Situationen ist es ein gutes Stilmittel. Jedoch bei Pressefotographien find ich das schon sehr grenzwertig.

so weit
Maico

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 12:22
von veo
Ein objektives Foto gibt es nicht. Ein Bild ist immer ein Kunst-Produkt eines Beobachters. Ob der Beobachter seine Möglichkeiten zur Herstellung seiner persönlichen Sichtweise vor der Aufnahme durch Wahl des Objektivs, Kameraeinstellungen und Kamerastandort nutzt, oder hinterher durch Beeinflussung von Bildausschnitt oder Ton- und Helligkeitswerten, ist m.E. bedeutungslos. Manipulation im Sinne von Verfälschung fängt m.E. erst dort an, wo Bildbestandteile unsichtbar gemacht werden oder neue hinzugefügt werden.

Die Regeln des Lumix-Forum-Fotowettbewerbs sind da schon ein gutes Beispiel, finde ich.

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 12:41
von valokuva
Eine schwierige Diskussion am Samstagmittag! :shock:

Also, speziell über dieses Bild würde ich sagen:
1) Es wirkt definitiv künstlich.
2) Den letzten Satz aus dem Interview würde ich unterstreichen: das Bild hätte wahrscheinlich auch ohne Bearbeitung gewonnen.

Die Frage ist, wie man "unbearbeitet" überhaupt definieren soll. Kann nicht sogar eine starke Über- oder Unbelichtung schon eine Art Bearbeitung sein? Auf jeden Fall kommt dabei ein Bild heraus, das der Realität nicht mehr entspricht.
Kameraintern gibt es ebenfalls immer mehr Möglichkeiten der Bearbeitung (automatisches HDR aus einem Bild, gibt's das vielleicht schon?).
Kann man z. B. an den EXIF-Daten erkennen, ob ein Bild out-of-the-cam oder nachbearbeitet ist?

Pressefotos sind in der Tat besonders kritisch, vor allem wenn Dinge herein- oder herausretuschiert werden. Zumindest das können Kameras noch nicht intern bewerkstelligen.

Gruß, valokuva

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 12:56
von videoL
Hallo Maico,
ein guter Link. Danke.
Die alten Meister waren darauf geeicht so genau wie möglich abzumalen.
Es gab ja keine andere Möglichkeit der Abbildung.
Doch im Laufe der Zeit ist es nicht mehr so.
Heute kann jeder der will, sein Foto machen.
Die Bilderfabriken werden aus den Dateien wohl nach statistisch ermittelten Werten entwickeln.
Laß 100 Foris ein RAW entwickeln und Du erhälst 80 grundverschiedene Bilder.
Jeder nach seinem Gusto. Hauptsache dem Fotografen gefällt es.
Schlimm ist m.M.n die Manipulation bei kritischen Themen zu aktuellen Berichten.
Gruß Bild videowilli

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 13:01
von xtj7
Also ich denke auch, ähnlich dem Lumix Wettbewerb, so viel Bearbeitung sollte schon erlaubt sein.
Farbstimmung, Kontrast, Helligkeit, ggf. Schmutz/Lens flares entfernen, entrauschen, auch HDR/pseudo-HDR sollte definitiv erlaubt sein.

Wenn man z.B. Bildteile ersetzt, sehe ich das jedoch deutlich kritischer. Hier endet für mich das klassische Bearbeiten von Bildern.
An der Stelle wird das Bild als solches ja wirklich verändert, entspricht also nicht mehr dem, was man fotografiert hat.

Das ist ohne Frage eine etwas schwammige Begründung und sicher diskutabel, aber ich denke hier kann man eine ganz gute Linie ziehen :)

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 13:08
von Der GImperator
valokuva hat geschrieben:.........
Kann man z. B. an den EXIF-Daten erkennen, ob ein Bild out-of-the-cam oder nachbearbeitet ist?..........
Darüber hab ich mir auch mal Gedanken gemacht. Da müssten die Bearbeitungs-Tools alle ein entsprechend arbeitendes Logging System für die Arbeitsschritte haben und das mit den Exif Readern kommunizieren können. Technisch muß es natürlich auch in die Bilddatei 'hineinschreibbar' sein.

Aber IHR sagt es :mrgreen: Generell gesprochen, hat doch jeder irgendwie recht, bzw. "recht" in diesem Sinne gibt es bei dieser Allgemeinen Bildbearbeitungs-Debatte eigentlich gar nicht.
Es wird X Meinungen geben. Manche stehen einander komplett konträr gegenüber, andere unterscheiden sich durch einige Faktoren, andere nur durch Nuancen.
Und jeder darf und soll für sich herausfinden, wie er da arbeitet und was ihm gefällt. Und hier beginnt schon der Übergang vom reinen Handwerk zur Kunst (und in der ist bekanntlich alles erlaubt).

Ich mag die Vielfalt. Ich bewundere tolle OOC`s genauso wie elegante Nachentwicklungen oder kreative Manipulationen.
Was Pressebilder im Speziellen angeht, dürfen sie m.M.n. den authentischen Live-Charakter der Szene niemals nicht verfälschen.
Unterliegen sie einer 'wahren' Bearbeitung, sollte das in den Credits erwähnt sein (z.B. "stilisierte Nachtaufnahme, Marktplatz Kandahar, 26.9.2004, Max Lustig (dpa)") und in einem entsprechenden Rahmen präsentiert werden.
Abgesehen davon, wenn einem Award Wettbewerbsregeln zugrunde liegen, dann definieren diese, was "recht" ist. Und falls sich jemand besonders clever anstellt & dabei die Grenzen verschiebt, bei gleichzeitiger Einhaltung des Regelwerks, dann waren die Award-Macher einfach nicht schlau genug :P

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 13:09
von Dietz
Sehe es genauso wie veo.
Schlimm wäre es, wenn die BVB-Trikots nach blau bearbeitet werden würden. ;)

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 13:12
von Der GImperator
Dietz hat geschrieben:Sehe es genauso wie veo.
Schlimm wäre es, wenn die BVB-Trikots nach blau bearbeitet werden würden. ;)
Du meinst, weil man sie dann leicht mit denen von Schalke 05 verwechseln könnte ?? 8-)

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 18:09
von Horka
videoL hat geschrieben: Die alten Meister waren darauf geeicht so genau wie möglich abzumalen.
Man weiß heute nicht, wie die Originallichtstimmung war. Aber oftmals ist die wichtigste Person durch Licht hervorgehoben, Unwichtiges oder Bedrohliches versinkt im Schatten, menschliche Proportionen sind verändert.

Ich vermute, dass der berühmte rembrandtsche Hell-Dunkelkontrast heutzutage durch Kontrastverstärkung, Schattenabdunklung und selektive Sättigungsanpassung erzeugt würde.

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 19:46
von mikesch0815
valokuva hat geschrieben:Eine schwierige Diskussion am Samstagmittag! :shock:
Wir sind ja nicht auf einer Kaffeefahrt. Also daher... :mrgreen: ]
Also, speziell über dieses Bild würde ich sagen:
1) Es wirkt definitiv künstlich.
2) Den letzten Satz aus dem Interview würde ich unterstreichen: das Bild hätte wahrscheinlich auch ohne Bearbeitung gewonnen.

Die Frage ist, wie man "unbearbeitet" überhaupt definieren soll. Kann nicht sogar eine starke Über- oder Unbelichtung schon eine Art Bearbeitung sein? Auf jeden Fall kommt dabei ein Bild heraus, das der Realität nicht mehr entspricht.
Ein Foto entsteht für mich dann, wenn ich STRG + SHIFT + E bei LR drücke. Dann ist für mich der Prozess zu Ende, der mit dem Anvisieren eines Motives begonnen hat. Und alles zwischendrin ist der Versuch, gesehenes zu konservieren. Oder Zeit einzufrieren. Das Sehen ein höchst subjektiver Vorgang ist, ist mir klar. Und doch schätze ich auch die Neutralität eines Fotoapparates. Gerade Aufnahmen eines Sonnenuntergangs sind da doch oft erfreulich nüchtern. :lol:
Bei Bildreportagen sollte ja eine gewisse Neutralität gewahrt sein. Da find ich das Korrigieren technischer Aspekte (Belichtung, Schärfe, Rauschen, ausgefressene Lichter und abgesoffene Schatten) vollkommen akzeptabel - das war schon zu analogen Zeiten Teil des Fotographierens.

Nun aber mein Aber. 8-)
Heute müssen Fotographien sich ganz anders behaupten. Denn dank des digitalen Kosmos und der ungebremsten Kapazität an Speicher und Veröffentlichungsplattformen kommt bei Fotos immer mehr das effekthaschende, augenmagnet-artige und leider auch grelle zum Tragen. Wie Geschmacksverstärker im Essen.
Danach aber gehts ins Nirvana, ich denke, 99,99% aller im Web gesehenen Bilder haben eine geringe "Keep in mind" Verweildauer. Sie sind dann wieder Bits und Bytes auf Festplatte und werden ggf. mal vom Fotographen betrachtet oder gehen im Worst Case mit einem Festplattencrash flöten. Wie in der Zukunft die Daten betrachtet werden (können) ist noch ein anderes Thema. Sicherlich seltenst noch in Fotoalben mit Pergamentpapier.
Ich finde, daß gerade Fotos mit einem gewissen "Authentizitätsfaktor" und Träger von Auszeichnungen ziemlich vorsichtig mit "Geschmacksverstärkern" á HDR und Co sein sollten. Das bedeutet meineserachtens, auch technische Unzulänglichkeiten zu akzeptieren - wir kennen alle das schreckliche Bild des Mädchens aus Vietnam nach dem Napalmangriff, dies entspricht unsren heutigen Qualitätsansprüchen auch in mancher Hinsicht nicht mehr, aber es hat auch und gerade durch die Unzulänglichkeiten einen gewissen Authentitätsfaktor.
Kann sein, das ich mich irre und der Authentizitätsfaktor heute eine leicht LSD-Trip nahe Darstellung von Farben und Lichtern ist, aber ich glaube das eher mal nicht. Oder ich hoffe es zumindest. :lol:

Im Falle des Bildes aus Syrien ist für mich die Überarbeitung einfach mißlungen. Der Schrecken dieses irrsinnigen Bürgerkrieges wäre - wenn man es bearbeiten möchte - eher noch in SW zum Ausdruck gekommen als in dieser imho zu bunten Version. Und diesem Bild wird sicherlich vorallem der Ruch des Manipulierten anhaften. Ob das wirklich die Intention des Fotographen war, bezweifel ich einfach mal.

so weit
Maico

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 19:51
von mikesch0815
Der GImperator hat geschrieben:
Dietz hat geschrieben:Sehe es genauso wie veo.
Schlimm wäre es, wenn die BVB-Trikots nach blau bearbeitet werden würden. ;)
Du meinst, weil man sie dann leicht mit denen von Schalke 05 verwechseln könnte ?? 8-)
Schwarzrot ist eh die einzig akzeptable Farbkombination auf einem grünen Fußballfeld. 8-)

so weit
Maico

Re: World Press Award

Verfasst: Samstag 18. Mai 2013, 20:56
von veo
mikesch0815 hat geschrieben:Im Falle des Bildes aus Syrien ist für mich die Überarbeitung einfach mißlungen. Der Schrecken dieses irrsinnigen Bürgerkrieges wäre - wenn man es bearbeiten möchte - eher noch in SW zum Ausdruck gekommen als in dieser imho zu bunten Version. Und diesem Bild wird sicherlich vorallem der Ruch des Manipulierten anhaften. Ob das wirklich die Intention des Fotographen war, bezweifel ich einfach mal.
mikesch0815 hat geschrieben:Schwarzrot ist eh die einzig akzeptable Farbkombination auf einem grünen Fußballfeld. 8-)
Beides sind doch Fragen des Geschmacks und der persönlichen Vorlieben, berühren aber nicht die Frage, ob der World Press Award mit unzulässigen Mitteln gewonnen wurde. Die Jury hat die Anschuldigung inzwischen ja auch qualifiziert zurückgewiesen, indem sie festgestellt hat, dass jedes Pixel in dem eingereichten JPEG auch schon im Ausgangs-RAW vorhanden war.