ThomasT hat geschrieben:Die Kamera schafft diesen Dynamikumfang leider nicht. Wir werden so belichten, dass die interessanten Bildteile z.B. das Auto, die Menschen davor und das Haus dahinter gut belichtet werden.
Die Katze unterm Auto verschwindet im Rauschen, der Himmel im Weissen.
Wenn wir aber den Dynamikumfang mal aufmalen, egal ob logarithmisch oder linear, und unsere Belichtung dort eintragen, dann werden wir feststellen, dass wir schon deutlich Richung Schatten belichten. Einfach weil die interessanten Gegenstände viel dunkler sind. D.h. die normale Belichtung ist schon deutlich ETTR! Noch mehr ETTR verschiebt unseren Belichtungspunkt noch weiter in den Schatten.
Versteh ich leider nicht so ganz. Klar, wenn viel Dynamik in der Szene vorhanden ist, schafft das der Sensor auf keinen Fall. Ich kann mich dann entscheiden, was ich besser auf dem Bild haben will, was quasi wichtiger für mich ist, hell oder dunkel. Das Gegenteil davon wird dann geclippt. ETTR ist eine Methode, um die Photonenfallen besser aufzufüllen und damit den Rauschabstand zu vergrößern. Damit wird kein Belichtungspunkt verschoben, sondern einfach die Zeit erhöht, während der Lichtquanten auf den Sensor einfallen können. Das Histogramm dient hier lediglich als Kontrollinstrument um zu vermeiden, dass die Sensorzellen, die den höchsten Belichtungswerten ausgesetzt sind, überfüllt werden. "Expose-To-" Methoden dienen lediglich dazu, den Lichteinfall zu regeln - kürzer oder länger.
Wenn ich ein Histogramm habe, wo rechts noch platz ist, schiebe ich nach rechts, bis die rechte "Bergflanke" den rechten Rand gerademal so berührt. Dadurch wird white clipping vermieden. Was bringt das? Genau das, was ich schon beschrieben habe: Die Sensorzellen haben mehr Zeit, um gefüllt zu werden. Mehr Füllung = besserer Rauschabstand = besseres Signal. Mache ich hingegen das, was du sagst, und "verschiebe den Belichtungspunkt ins Dunkle", indem ich das Histogramm "nach links schiebe" ("ETTL") -- anderen Worten: Die Belichtungszeit wird verkürzt, das ist nämlich das, was physikalisch dabei passiert -- hindere ich die Photonenfallen daran, ausreichend Lichtquanten zu sammeln, mit dem Ergebnis, dass bei einigen das Signal vom A/D Wandler nicht auswertbar ist, weil es unter der Nachweisgrenze liegt (black clipping) und bei anderen das Signal die Rauschschwelle nicht überschreiten kann (Rauschen). Diese Sensorzellen enthalten nicht verwertbare Information, was gar keiner Information gleichkommt. Alles, was ich damit erreiche, ist die Gefahr von black clipping.
Ich habe es schon gesagt, black clipping ist genauso schlimm wie white clipping, nicht mehr und nicht weniger. Kein Sensor ist in der Lage, die Dynamik zu liefern, die wir als Fotografen brauchen würden. Wir können also nur einen Kompromiss suchen und wählen, ob wir besser auf helle oder dunkle Bildteile verzichten können. Je nachdem, und da gebe ich dir Recht, kann dann das Histogramm mit ETTR oder ETTL verschoben werden. Das gilt aber nur, wenn der Dynamikumfang der Szenerie den des Sensors bei weitem übersteigt. Das ist nicht immer so, viele Motive sind z.B. mehr im dunklen Bereich angesiedelt, oft geht da das Histogramm gerade mal von Links bis etwa zur Mitte. Da werde ich nicht den Fehler machen und durch Linksverschieben des Histogramms zusätzlich Sensorzellen ins "Schwarze Aus" reinschieben, damit dort ja keine verwertbaren Informationen mehr drin sind und mein Foto hauptsächlich schwarze Flecken zeigt! Im Gegenteil, ich werde es nach Rechts schieben. So bekommen auch Zellen die Gelegenheit, ein verwertbares Signal zu erzeugen, die das sonst nicht getan hätten, weil sie eben nicht genügend Lichtquanten sammeln können.
Du sagst ganz richtig, dass vermutlich die meisten Bildelemente in den dünkleren Bereichen liegen. "Expose to the LEFT" ist also in jedem Fall absolut "tödlich" und ich würde diese Methode wahrscheinlich als extreme Seltenheit sehen. Trotzdem kann sie vorkommen, "normal" ist aber, wie du schon sagst, dass das Histogramm "von links nach rechts" befüllt wird und nicht umgekehrt. Deshalb üblicherweise ETTR und nicht ETTL.
ThomasT hat geschrieben:Was unseren Sensoren fehlt ist Dynamik nach oben!
Das sehe ich etwas pragmatischer: Mir fehlt gewaltig Dynamik in
beiden Richtungen, nach unten mindestens soviel wie nach oben. Wenn unten mehr Dynamik wäre, wäre das mit dem Rauschen nicht so ein Wahnsinnsproblem. Warum nehmen nur alle black clipping als "gottgegeben" hin und verteufeln white clipping dermaßen? Für mich ist beides gleichschlimm. Vielleicht empfinden manche schwarze Bildteile nur als nicht sonderlich störend...
ThomasT hat geschrieben:Aus der Praxis noch was: wenn ich mit ISO 160 belichte und die Schatten aufhelle rauscht es oft mehr als normal belichtetes bei ISO 1600.
Das ist ein bekanntes Phänomen, deshalb ist es immer schlecht, Bilder aufzuhellen. Umgekehrt ja, abdunkeln ist okay, aber nicht aufhellen, das verursacht Rauschen. Und gerade deshalb ist es notwendig, das Histogramm so weit wie möglich nach Rechts zu schieben. Damit das Foto im Rohzustand überbelichtet aussieht - ohne dass es das ist, weil ja kein white clipping auftritt. Und so ein Foto kann dann durch abdunkeln wieder "normalisier"t werden, ohne dass zusätzliches Rauschen hervorgerufen wird. Mit einer höheren ISO hast du das Rauschen drin, das wirst du nicht mehr los. Mit ETTR kann ich Rauschen hingegen schon bei der Aufnahme loswerden. ISO höherschrauben ist für mich aus zweierlei Gründen "the last resort": Erstens rauscht es mehr, das bekomme ich nur mehr durch Entrauschfilter weg, wobei zwangsläufig Bilddetails dran glauben müssen, und zweitens verliere ich mit höheren ISO zunehmend Dynamik, das geht ab ISO 800 ziemlich zügig. Mit hohen ISO habe ich mich persönlich noch nie so recht anfreunden können. Zugegeben, es gibt Situationen, wo sich das nicht vermeiden lässt. Wenn's geht, dann lange belichten am Stativ mit der niedrigsten ISO. Das schöpft den Sensor und die A/D Wandler voll aus. ISO hochdrehen verstümmelt die möglichkeiten des Sensors und der Wandler in jedem Fall, je höher die ISO, desto mehr. Deshalb lass' ich sowas solange es geht ganz bleiben.